Stranger of Paradise im Test: Final Fantasy-Cringefest mit genialem Kampfsystem

Was wäre, wenn man Final Fantasy als B-Movie inszenieren würde? Team Ninja hat den Trashfaktor ganz hoch gedreht – und legt nebenher eines der besten Kampfsysteme des Jahres vor.

Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin im Test. Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin im Test.

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In japanischen Rollenspielen dauert es üblicherweise lange, bis man Freunde fürs Leben findet: Entweder ist ein Königreich in Gefahr, oder Dimensionen brechen zusammen. Harte Schicksalsschläge vereinen besondere Individuen.

Bei dem Action-RPG-Spinoff Stranger of Paradise wird auf dieses ganze epische Gedöns verzichtet: Protagonist Jack trifft seine beiden Kumpanen einfach mitten auf der Straße, als ihre eierförmigen Kristalle in der Hose zu vibrieren beginnen (ja, wirklich). "Ich muss Chaos töten!", bellt Jack daraufhin, und alle geben sich nickend einen Fistbump, als wären sie die drei Musketiere. Yup, sehr viel mehr Story hat das Spiel nicht. Es ist zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal sicher, ob Chaos überhaupt existiert. Zwei weitere Heldinnen stoßen später hinzu, und sie haben ebenfalls keinen blassen Schimmer. Also wirklich keinen Schimmer von nichts, denn das Gedächtnis aller Hauptfiguren ist gelöscht. Sie wissen nur: Chaos muss sterben!

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Rollenspielhandlung, die keine Rolle spielt

Falls ihr in bisherigen Teilen wegen der Geschichte in die Welt von Final Fantasy eingetaucht seid: Stranger of Paradise ist definitiv nicht euer Spiel! Zwar versteht es sich als Mischmasch aus Neuinterpretation und Prequel zum allerersten Teil der Traditionsreihe, aber der Cringe-Faktor ist so immens, dass man fast von einer Parodie sprechen kann. Das hat aber durchaus seinen Reiz. Zum Beispiel wenn Jack nach einer epischen Ansprache eines Begleiters schulterzuckend "Bullshit!" entgegnet, Rockmusik auf seinem Smartphone einschaltet und stoisch den Raum verlässt. Solche Szenen machen das Spiel regelrecht zur Meme-Fabrik. Demnächst werden euch auf Social Media also vermutlich viele Gifs aus dem Spiel begegnen.

Sind wir mal ehrlich: Dieses Heldentrio könnte auch glatt aus einem Fast and Furious-Film entsprungen sein! Sind wir mal ehrlich: Dieses Heldentrio könnte auch glatt aus einem "Fast and Furious"-Film entsprungen sein!

Für JRPG-Fans mag das irritierend, vielleicht sogar enttäuschend sein, auch wenn das Geheimnis des Gedächtnisverlusts aller Helden und Heldinnen zum Schluss überraschend gut aufgelöst wird. Aber eigentlich ist das völlig egal, denn Team Ninja konzentriert sich auf das, was sie wirklich gut können: Action! Die Experten für Fingerakrobatik kombinieren Elemente aus ihrem hauseigenem Nioh, etwas Platinum-Games-DNA und Final Fantasy 7 Remake.

Heißt: Mit einer Party aus drei Personen befreit ihr linear aufgebaute Levels von mannigfaltigen Kreaturen aus der Seriengeschichte, wobei am Ende immer ein imposanter Boss auf euch wartet. Rundenbasierte Kämpfe oder Kompromisslösungen wie in Final Fantasy 15, in dem ihr die Zeit anhalten könnt, gibt es hier nicht. Stattdessen haut ihr euren Widersachern in hoher Geschwindigkeit Zaubersprüche, Hiebwaffen oder Faustschläge um die Ohren, dass die Fetzen nur so fliegen! 

Im Einzelspielermodus werden eure beiden ausgewählten Mitstreiter von der KI gesteuert, die eher zurückhaltender agiert. Allein werdet ihr daher etwas defensiver spielen, da manche Angriffe der Gegner so stark sind, dass sie euch mit einem Schlag töten können.

Blut kristallisiert augenblicklich, was besonders in den aufwendig animierten Finishern zur Geltung kommt. Blut kristallisiert augenblicklich, was besonders in den aufwendig animierten Finishern zur Geltung kommt.

Im Online-Koop ändert sich die Dynamik: Hier könnt ihr eure Rollen dedizierter aufteilen und vor allem größere Brocken leichter besiegen. Zum Beispiel, indem einer das Monster im Nahkampf beschäftigt, während die anderen aus der Ferne feuern. Sehr schön: Den Fortschritt aus dem technisch flüssig laufenden Koop-Modus könnt ihr in den Einzelspielermodus übernehmen und umgekehrt. 

Die Verbindung zu Final Fantasy
Im allerersten Spiel der Final-Fantasy-Reihe macht sich eine Gruppe Helden auf, Prinzessin Sarah aus der Gewalt des Schurken Garland zu befreien und am Ende den Dämon Chaos zu besiegen. Dieser ist in Wahrheit Garland, der von finsteren Mächten vor dem Tod durch die Heldentruppe bewahrt und in seine Dämonenform verwandelt wurde. Stranger of Paradise ist eine lose Nacherzählung dieser Geschichte – allerdings aus Sicht des Schurken Jack Garland. Square Enix macht kein Geheimnis aus dieser Tatsache, sondern spielt in der Werbung für das Spiel geschickt die "Wie konnte das geschehen?"-Karte.

Herausragende Combat-Sandbox

Was Stranger of Paradise herausragend macht, sind die irre umfangreichen Kombinationsmöglichkeiten aus Fähigkeiten, Kostümen und Jobs. Von letzteren gibt es insgesamt 27, angefangen vom Faustkämpfer über den Samurai bis hin zum Dunkelmagier. Jede dieser Klassen spielt sich komplett unterschiedlich und kommt sowohl mit einem eigenen Moveset, als auch eigenen Waffen daher. Selbstverständlich haben sie jeweils Vor- und Nachteile.

Pikenier können als Spezialattacke ihre Pike werfen. Ideal, um Freunde aus der Distanz zu unterstützen. Pikenier können als Spezialattacke ihre Pike werfen. Ideal, um Freunde aus der Distanz zu unterstützen.

Als Pikenier könnt ihr eure Pike zum Beispiel werfen und schön auf Abstand bleiben. Ein Gladiator hingegen muss schon näher an die Gegner heran, hat dafür aber auch eine stärkere Abwehr. Zwar könnt ihr jederzeit über das Menü die Jobs wechseln, doch aktiv bleiben nur zwei. Auf Knopfdruck könnt ihr mitten im Kampf zwischen ihnen wechseln und dadurch Kettenreaktionen bewirken. Als Magier den Gegner mit einem Feuer-Zauberspruch schonmal anbrutzeln, um ihm dann mit dem Breitschwert den Rest zu geben? Kein Thema.

Die Möglichkeiten hören hier lange nicht auf: Während die Charaktere selbst nicht im Level aufsteigen, wertet ihr die Jobs mit Erfahrungspunkten auf und findet immer stärkere Kleidung. Diese erhöht nicht nur eure Grundwerte, sondern kommen oft auch mit eigenen Affinitäten, die wie Perks für bestimmte Jobs funktionieren. Mit einem stylischen Diebesgewand seid ihr zum Beispiel im entsprechendem Job stärker.

Ihr könnt 4.500 Gegenstände mit euch führen. Viertausendfünfhundert! Das finden wir maßlos übertrieben. Ihr könnt 4.500 Gegenstände mit euch führen. Viertausendfünfhundert! Das finden wir maßlos übertrieben.

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Ihr könnt mehrere Körperstellen aller Partymitglieder mit einem eigenen Kleidungsstück ausstatten – von Kopf bis Fuß. Allerdings duscht ihr nach Siegen regelrecht in einer Flut an Loot, was die Verwaltung eures Loadouts unnötig kompliziert macht. Über 200 Gegenstände in lediglich einer Mission zu finden ist Programm. Wer soll hier durchblicken? Wenigstens könnt ihr in den Menüs Gegenstände nach Wert und Art sortieren – und somit auch gesammelt wegschmeißen.

Als wenn das nicht reichen würde, gibt es noch den sogenannten Seelenschild: Dies ist eine besondere Abwehr, die eure Ausdauerleiste beansprucht, aber gleichzeitig auch auflädt. Ihr könnt mit dem richtigen Timing besonders deftige Spezialattacken von Feinden abwehren. Gelingt es euch nicht, seid ihr im Gegenzug für eine kurze Zeit gelähmt. Risk and Reward also, was durch eine geniale Mechanik noch würziger wird: Mit dem Seelenschild könnt ihr Attacken von Gegnern klauen! Greift zum Beispiel der beliebte Kaktor mit seiner verheerenden 1000-Nadel-Attacke an, könnt ihr im richtigen Moment diese Fähigkeit absorbieren. Ihr habt sie dann abrufbereit im Inventar und könnt sie im Kampf verbrauchen. Das klappt mit jedem Gegner im Spiel. Ja, sogar den furios inszenierten Bossen!

Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin stimmt mit flotter Action auf den Release ein Video starten 0:30 Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin stimmt mit flotter Action auf den Release ein

Langweilige Dungeons

Während das Kampfsystem ein absolutes Fest ist, fällt das Leveldesign ähnlich flach aus wie Charaktere und Story. Mit gutem Willen könnte man die Levels als originalgetreue Neuauflage drei Jahrzehnte alter Dungeon-Designs bezeichnen … aber ganz ehrlich: Die Levels sind einfach nur trist und öde. Ebenso wie die Nebenaufgaben, in denen ihr die gleichen Orte mit Aufgaben der Marke "Töte fünf Piraten" abhakt. Hier und da gibt es mal eine Schatzkiste, einen Schalter oder einen Geheimraum, ansonsten gibt die Erkundung wenig her.

Der Fokus liegt klar auf den Kämpfen, die herausragend in Szene gesetzt sind. Die Animationen sind flüssig und jede Aktion lässt Partikeleffekte nur so hageln. Das Trefferfeedback fühlt sich toll an, und vor allem Finishing Moves haben Wucht. Für einen Final-Fantasy-Titel ist Stranger of Paradise ungewöhnlich brutal: Blut kristallisiert sich hier zwar umgehend, sobald es den Körper verlässt, aber trotzdem reißt Jack Gliedmaßen ab, um anschließend ein bizarres Bündel aus rotem Gestein auf den Boden zu zerschmettern. Das erinnert an die Glory Kills aus Doom Eternal – und man kann sich daran einfach nicht sattsehen!

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