Als die PlayStation vor mittlerweile 30 Jahren in Deutschland erschien, stach sie die Konkurrenz im Handumdrehen aus. Nicht nur brachte sie 3D-Grafik auf dem Niveau von leistungsfähigen Arcade-Automaten ins Wohnzimmer, mit einem Startpreis von 600 DM war sie auch noch ein Stückchen günstiger als die damalige Konkurrenz – also der SEGA Saturn, der für 700 DM verkauft wurde.
Außerdem war die Hit-Dichte enorm: Entwickler*innen fiel es leicht, für die PlayStation 1 zu produzieren, da ihre Architektur von Sony bewusst simpel gehalten wurde. Eine für die Studios leicht verständliche Technik sorgte für einen zuverlässigen Nachschub an großartigen Titeln, mit denen Fans der PlayStation rechnen konnten.
Hier findet ihr unsere Favoriten:
In einigen Punkten mussten Entwickler*innen allerdings dennoch tricksen, da die PlayStation 1 so einige technische Limitierungen mitbrachte. Diese prägten entscheidend den Look aller Spiele und trugen zum ikonischen Gesamtbild bei.
Der Artikel ist vor drei Jahren im Rahmen unserer PS1-Themenwoche erschienen. Aufgrund der positiven Resonanz und dem 30-jährigen Geburtstag der PlayStation haben wir ihn noch einmal überarbeitet.
1. Eigentlich hat die erste PlayStation gar keine Ahnung, was 3D überhaupt ist
Obwohl die PlayStation 1 3D-Spiele wiedergeben konnte, wusste sie mangels eines sogenannten Z-Buffers auf Hardware-Ebene nicht, wie Tiefe funktioniert. Sie dachte so gesehen nur zweidimensional. Damit wir dennoch 3D-Grafik zu Gesicht bekamen, griffen Entwickler*innen auf einen genialen Kniff zurück.
Objekte wurden in PS1-Spielen stets von hinten nach vorn in die Szene gerendert, also in etwa so, als würdet ihr Kunstschaffenden beim Malen zuschauen.
Künstler*innen erstellen erst den Hintergrund und fügen anschließend weitere Schichten hinzu, die sich den Betrachtenden annähern, um eine dreidimensionale Perspektive zu erzeugen. Passenderweise spricht man daher vom "Maleralgorithmus":
Mit dem Maleralogrithmus und einer cleveren Sortierung der darzustellenden Objekte konnte auf der PS1 ein dreidimensionaler Effekt geschaffen werden. Gänzlich vermeiden ließen sich Darstellungsfehler jedoch nicht. Habt ihr euch beispielsweise schon einmal die legendäre T-Rex-Demo angesehen, dann ist euch vielleicht aufgefallen, dass die Beine des Dinosauriers in seinen Bauch ragen:
Den Körperteilen fehlen die passenden Z-Koordinaten, die der Grafikeinheit Bescheid geben würden, wo genau sie sich im dreidimensionalen Raum befinden.
2. Perspektivisch falsche Texturen
Da die PS1 die Tiefe einer Szene nicht berechnen kann und lediglich zwei Dimensionen kennt, fehlt ihr die Grundlage für eine perspektivisch korrekte Darstellung der Spielwelt. Stattdessen wabern Texturen wild umher und verschieben sich ständig. Am Beispiel von Gran Turismo 2 wird der Effekt gut sichtbar.
Die Bandenwerbung ist völlig verzerrt, gerade Linien bei Zäunen, Streckenrandmarkierungen und Häusern sucht ihr vergebens:
Diese Verzerrungen entstehen auf technischer Ebene aufgrund des Affine Texture Mappings der PS1. Das Verfahren schätzt die Krümmung von Texturen in Relation zur Kamera für jedes Dreieck an einem Polygon. Allerdings sind die Schätzungen so grob, dass sich die einzelnen Bruchstücke stark voneinander unterschieden, zum Teil sogar komplett unzusammenhängend wirken.
3. Viele Polygone und doch zu wenig
Die T-Rex-Demo offenbart zwar unter anderem das Problem des fehlenden Z-Buffers, der in Echtzeit gerenderte Dino versetzte aber dennoch damalige Spieler*innen sowie Entwickler*innen ins Staunen, da sich sein Modell aus zigtausenden Polygonen zusammensetzt.
Genau genommen konnte die PlayStation 1 dank ihrer Geometry Transformation Engine eine Szene mit knapp 360.000 Polygonen pro Sekunde füllen, bei einem Spiel in 30 fps entspricht das also 12.000 Polygonen für jeden einzelnen Frame.
Zum Vergleich:
Ein dreidimensionales Super Nintendo-Spiel wie Star Fox schaffte es laut der Fan-Seite Anthrofox auf circa 15.000 Polygone - wohlgemerkt je Sekunde. Die PS1 konnte dieselbe Menge in wenigen Frames unterbringen.
In der Praxis lag die Zahl aber weitaus niedriger, da noch viele weitere Bestandteile eines Spiels berechnet werden müssen, etwa Texturen und deren Farbinformationen.
Das Charaktermodell von Spyro aus Spyro the Dragon wurde beispielsweise aus 411 Polygonen erstellt. Leon aus Resident Evil 2 schafft es hingegen auf fast die doppelte Menge, wie der Spieledesigner Jaybee auf Patreon schreibt. Wirklich detailliert sind beide Protagonisten nicht, dafür ist die Polygonanzahl noch immer viel zu niedrig.
4. Zittrige Charaktere
Die Hauptfiguren in PS1-Spielen sind nicht nur sehr simpel modelliert, sie zittern und wobbeln zudem ständig hin und her. Verantwortlich dafür ist das Fehlen einer Einheit für Fließkommaberechnungen (Floating Point Unit, kurz FPU).
Mit einer FPU können Bewegungen berechnet werden, die kleiner als ein Pixel sind, bei der PlayStation 1 fehlt die Möglichkeit aber komplett. So sieht das in der Fan-Umsetzung von Bloodborne im PS1-Stil aus:
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Rutscht ein Teil des Charaktermodells nur einen Pixel weiter, verschieben sich alle Pixel eines dargestellten Polygons ruckartig. Da bei vielen Spielen kleinste Bewegungen dargestellt werden, schnappen Pixel ständig von einem Ort zum nächsten, wodurch der zittrige Eindruck entsteht.
5. Krümelige Farbverläufe
Texturen konnten bei der PlayStation mit einer 24-Bit-Farbpalette, also 16.777.216 Farben dargestellt werden. Um die Belegung des Videospeichers klein zu halten, kam praktisch aber nur eine 15-Bit-Palette, sprich 32.768 Farben zum Einsatz. Eine solch geringe Anzahl an Farben würde dazu führen, dass weiche Farbübergänge als harte Bänder dargestellt werden – man spricht dann von "Color Banding".
Über das sogenannte Dithering wird der Banding-Effekt vermieden. Bei der Methode werden zwei Farben miteinander vermischt, indem sie zu einzelnen Punkten aufgelöst werden. Das menschliche Auge nimmt die einzelnen Bildpunkte auf größerer Distanz als zusätzliche Mischfarbe wahr.
So ziemlich jedes Spiel verwendete die Technik, da sie auf Röhrenfernsehern für sanftere Farbverläufe sorgte. Das Besondere an der PlayStation war, dass sie nicht von den Entwickler*innen, sondern automatisch von der Hardware umgesetzt wurde. Die wohl besten Beispiele sind:
6. Pixel, überall Pixel!
Spiele für die PlayStation 1 waren stets gestochen scharf, zum Teil sogar zu einem Grad, der die Grafik verpixelt oder rauschig erscheinen ließ. Das liegt daran, dass Texturen stets in ihrer höchsten Qualität dargestellt wurden – so hochwertig sie bei einer maximalen Render-Auflösung von 640 mal 240 Pixeln eben sein konnten.
Bei allen 3D-Konsolen nach der PS1 kam hingegen sogenanntes "Mip-Mapping" zum Einsatz. Dabei werden niedrig aufgelöste Texturvarianten abhängig von der Distanz zur Kamera eingesetzt.
Das kann bei einem knapp bemessenen Videospeicher für viel Unschärfe sorgen, so wie es beim N64 passierte, bei der PS1 sorgte das Fehlen von Mip-Mapping im Gegensatz dazu aber für eine fast schon übertriebene Bildschärfe.
7. Statische Beleuchtung
Bei den meisten PlayStation-Spielen kam ein ziemlich einfaches Beleuchtungssystem zum Einsatz: Den Eckpunkten von Polygonen wurden Farben zugewiesen und die Zwischenräume daraufhin mit dunkler oder heller werdenden Verläufen gefüllt. Auf diese Weise wurde der Eindruck von Schattierungen erweckt.
Eine weitere Methode war es, Lichter und Schatten einfach in die Texturen zu malen.
Mit einem simplen Trick konnte aber auch eine dynamische Beleuchtung erzeugt werden: Die PlayStation konnte die Farbinformationen in den Eckpunkten von Polygonen dynamisch anpassen, jedoch nur für eine einzige Lichtquelle. Um diese Lichtquelle herum wurde dann die Helligkeit hochgedreht.
Ein gutes Beispiel dafür ist Silent Hill, in dem die Taschenlampe als einzige Lichtquelle in einer Szene Einfluss auf die Umgebung nimmt:
8. Blockige Videos
Die PlayStation konnte Videos in der Hardware dekodieren und somit in schicker Grafik vorgerenderte Zwischensequenzen abspielen. Es kam dabei jedoch nur ein recht einfacher Standard zum Einsatz, der das Signal stark komprimierte.
Bei PS1-Titeln wurden Videos mit einer Auflösung von 320 mal 240 Pixeln in 300 Blöcke aufgeteilt, die mit einem scharfen Blick auch gut zu erkennen sind. So sieht das im Intro von Ridge Racer Type-4 beispiels aus der Nähe aus:
Die technischen Limitierungen taten dem Erfolg keinen Abbruch
Die 3D-Technik der PlayStation 1 war längst nicht perfekt, für einen damals konkurrenzfähigen Preis stellte Sony den Spieler*innen jedoch potente Hardware zur Verfügung, für die auch noch leicht entwickelt werden konnte. Somit schafften es es unzählige Top-Spiele auf die neue Plattform.
Mit ein paar Abstrichen musste man leben, aber ganz ehrlich – 3D-Grafik war damals so neu, dass sich das kaum jemand entgehen lassen konnte.
Die Grafik welches PS1-Spiels hat euch damals richtig aus den Socken gehauen?
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