Seite 2: Pokémon-Karten: Der Hype führt zu leeren Regalen und Glücksspielvorwürfen

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Sind Pokémon-Karten Glücksspiel?

Während Sammler:innen die mangelnde Verfügbarkeit von Karten zusetzt, äußern manche Streamer:innen Kritik an den Aufzeichnungen von Pack-Openings. Mit Hamsterkäufen oder künstlicher Preisinflation hat das jedoch wenig zu tun. "Pokémon ist riesig und alle lieben es. Aber eigentlich ist es ein Glücksspiel mit einem 'Für Kinder geeignet'-Label", behauptet Streamer Chance Morris, besser bekannt als Sodapoppin.

Gänzlich falsch liegt er damit nicht."Dass das Kartenspiel Glücksspielelemente hat, lässt sich unmöglich wegdiskutieren", meint Dr. Tobias Hayer. Er forscht unter anderem zu Glücksspielen sowie Glücksspielsucht und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen. Zu diesen Elementen zählen, so Hayer, zum Beispiel der Geldeinsatz beim Kartenkauf, das Zufallselement beim Inhalt oder die Chance, besonders hochpreisige Karten zu ziehen.

Auch alte Pokémon-Spiele enthielten Glücksspielelemente. Auch alte Pokémon-Spiele enthielten Glücksspielelemente.

Aus psychologischer Sicht unterscheiden sich Pokémon-Karten aber vom herkömmlichen Glücksspiel. Den Grund dafür erklärt Hayer so: "Beim Automatenspiel wandert Geld in den Automaten, das Spiel beginnt, und ein paar Sekunden später folgt das Spielergebnis. Danach kann es direkt weitergehen." Diesen kontinuierlichen Spielablauf bieten Pokémon-Karten nicht. "Man sieht zwar, welche Karten man bekommt, doch die Wertigkeit dieser Karten ist nicht sofort klar. Bis man die tauscht oder verkauft, vergeht zudem eine gewisse Zeit."

Trotzdem sollte der Hype um die Sammelkarten kritisch betrachtet werden. Das gilt vor allem für Influencer:innen. "Hier wird etwas geschürt, das die Suchtforschung 'unrealistische Gewinnerwartung' nennt", konstatiert Hayer. "Irgendwann wird immer eine besonders seltene Karte gezogen. Die Message dabei ist, dass man erfolgreich sein kann, solange man nur ausreichend Packs erwirbt."

Wie realistisch ein Erfolg ist, lässt sich aber nicht präzise einschätzen, da The Pokémon Company keine Informationen über Wahrscheinlichkeiten bereitstellt. Bekannt ist nur, dass jedes reguläre Pack sechs Common-, drei Uncommon- und eine Rare-Karte enthält. Letztere reichen von niedrigpreisigen Karten bis zu den hochpreisigen Secret Rares.

Können Pokémon-Karten süchtig machen?

Ob von der hypebedingten Jagd nach seltenen Karten ein Suchtrisiko ausgeht, ist momentan unklar. Dazu gebe es, so Hayer, noch keine Begleitforschung. Besorgniserregender findet der Suchtforscher ohnehin einen anderen Aspekt: Geld. "Wenn Jugendliche im Netz Karten erwerben, können sie schnell den Überblick verlieren, wie viel Geld sie schon investiert haben, und sich verschulden."

Eine berechtigte Sorge, denn Jugendliche stellen den Großteil des Publikums auf Twitch dar. "Bei bestimmten Risiko- und Problemverhaltensweisen lässt sich festhalten, dass Jugendliche im Vergleich zu Erwachsenen vermehrt betroffen sind", meint Hayer. Das liege an der schwierigen Phase des Jugendalters, in der junge Personen viele Entwicklungsaufgaben meistern müssen. Dazu Hayer: "In dieser Zeit sind sie von außen eher beeinflussbar, etwa durch die Eltern, die Peer Group oder Werbung."

Um eine Verschuldung zu verhindern, sei Prävention nötig. Die müsse laut Hayer von verschiedenen Stellen kommen, angefangen beim Kartenvertreiber: "Ein Diskussionspunkt wäre etwa, ab welchem Alter es verträglich wäre, Karten zu kaufen." Zur Veröffentlichung des Kartenspiels empfahl The Pokémon Company ein Mindestspielalter von zehn Jahren, mittlerweile liegt es bei sechs Jahren. "Das ist definitiv zu niedrig", findet Hayer.

Zusätzlich scheint es, als habe sich The Pokémon Company in den vergangenen Jahren bemüht, ihr Kartenspiel noch kinderfreundlicher zu gestalten. So haben moderne Karten weniger Text, teils auch weniger Fähigkeiten.

Durch weniger Text scheinen Pokémon-Karten kinderfreundlicher zu sein. Durch weniger Text scheinen Pokémon-Karten kinderfreundlicher zu sein.

Ebenfalls sollten sich, so Hayer, Eltern und Pädagog:innen intensiv mit den Hobbys von Kindern beschäftigen und "gegebenenfalls einschreiten, wenn sich herausstellt, dass finanzielle Probleme entstehen." Zusätzlich wünscht sich der Wissenschaftler Altersbeschränkungen auf Plattformen wie Twitch für Übertragungen von digitalen Glücksspielen oder glücksspielähnlichen Inhalten.

Zwar bietet Twitch die Funktion, einen Stream als "für junge Zuschauer unangemessen" zu markieren, gedacht ist diese Markierung aber eher für Übertragungen von Spielen mit einer Altersfreigabe ab 16 oder 18 Jahren. Konkrete Altersbeschränkungen oder gar ein Verbot für digitales Glücksspiel beziehungsweise glücksspielähnliche Inhalte existiert aber noch nicht; lediglich die Auflagen sind streng.

Wahrscheinlich ist es derzeit empfehlenswerter, zur Switch zu greifen und dort Pokémon zu genießen. Schwert und Schild bieten keine Glücksspielelemente. Und eine Switch samt Spiel zu kaufen, ist günstiger als ein Glurak aus dem Base Set zu ersteigern.

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