Nach 13-jähriger Durststrecke bekommt die kultige Survival-Horror-Reihe Silent Hill endlich einen ganz neuen Eintrag. Und mit Silent Hill f rüttelt Entwickler NeoBards ordentlich an den Grundfesten der Marke, zum einen mit einem ungewohnten Setting, zum anderen mit einem deutlich stärkeren Action-Fokus als bei früheren Teilen.
Nicht stur an der namensgebenden Stadt festzuhalten und uns stattdessen ins Japan der 1960er-Jahre mitzunehmen, erweist sich als goldrichtige Entscheidung. Im wabernden Nebel rund um ein abgelegenes Bergdorf entfalten sich eine Story und Ästhetik, die so seltsam, faszinierend und unheimlich zugleich sind, dass sie uns nicht mehr loslassen wollten - auch, wenn wir das Pad schon längst aus der Hand gelegt hatten.
Die stimmig integrierten Rätsel haben uns ebenfalls motiviert. Einige der langatmigen und repetitiven Third-Person-Action-Abschnitte hätten wir dagegen lieber sofort aus der Erinnerung gestrichen.
15:44
Silent Hill f krempelt die Serie gehörig um - stolpert dabei aber über die eigenen Füße
Gefangen zwischen zwei Albtraumwelten
In Silent Hill f schlüpfen wir in die Schuluniform von Hinako Shimizu, die in dem Städtchen Ebisugaoka zu Hause ist. Die junge Frau will sich eigentlich nur mit ihrem besten Freund Shu treffen und läuft dabei den Klassenkameradinnen Sakuko und Rinko über den Weg. So weit, so unspektakulär.
Aber bereits nach kurzem Geplänkel über geliehene Magazine und Kleingeld nimmt das Unheil seinen Lauf und zieht uns sofort in seinen Bann: Dicke Nebelschwaden kommen auf, rot blühende Pflanzenranken schnellen hervor, Blüten wachsen aus Sakukos Körper – und töten sie innerhalb weniger Momente.
Danach wanken puppenartige, blutige Monster durch die engen Gassen, denen sich Hinako mit einem Stahlrohr stellt, bevor sie in klassischer Silent Hill-Manier in eine schaurige Parallelwelt gezogen wird.
Anders als beispielsweise beim Silent Hill 2-Remake ist die andere Welt dieses Mal jedoch keine vermoderte, rostige Version der Realität, sondern ein surrealer Tempelbezirk, in dem Hinako auf geheime Riten stößt.
Ein mysteriöser Fremder mit Fuchsmaske fungiert dabei als ihr Tourguide – und was kann da schon schiefgehen? Lasst uns einfach sagen, das Geschehen wirkt von Anfang an herrlich unheilvoll.
Beide Welten sind sehr linear angelegt und auch der Wechsel erfolgt fortschrittsgebunden. In optionalen Räumen und Sackgassen finden wir aber immer wieder Zusatzinfos wie Briefe oder nützliche Items.
Wenn wir nicht gerade dem Fuchskerl nachjagen, orientieren wir uns anhand einer großartigen Map, die nicht nur nützlich, sondern auch wunderhübsch gestaltet ist. Während wir uns umschauen, macht Hinako fleißig Eintragungen, kennzeichnet versperrte Durchgänge und erstellt Zeichnungen zu Rätseln. Auch im Tagebuch werden Erkenntnisse und Rätsel-Informationen festgehalten und bebildert.
Technik: Auf der PS5 gab es im hauptsächlich von uns getesteten 60-fps-Modus in Vorabversion 1.001 zu Beginn nur gelegentliche Nachladeruckler. Im späteren Spielverlauf, gerade im Endgame, kamen häufiger Framerateeinbrüche vor. Auch Texturflimmern war an einigen Stellen vorhanden. Bugs oder Abstürze sind uns nicht untergekommen.
Irgendwas ist hier faul - und es ist nicht nur der Monsteratem
Neben der Gegenwartsgeschichte, also dem Fluchtversuch aus der monsterverseuchten Stadt und den Abstechern in die Parallelwelt, erhalten wir auch zahlreiche Einblicke in Hinakos Alltag vor dem Monsterüberfall.
Dabei wird schnell klar, dass ihre kleine Welt von Spannungen beherrscht wird: vom Streit mit dem offensichtlich alkoholkranken Vater, über Anfeindungen, weil Hinako nicht dem typisch weiblichen Ideal der Zeit entspricht, bis hin zu Eifersucht und Misstrauen zwischen den Freundinnen.
Irgendwas am Tonfall der Konversationen und den gefundenen Briefen ist stets irritierend. Mal wirkt der Inhalt traumartig zusammenhangslos, mal eskaliert ein Dialog oder Monolog unvermittelt schnell und brutal.
Wir fragen uns, welche wichtige Entscheidung ständig angedeutet wird, warum Shu und Rinko immer wieder schlagartig weg sind oder erleben wie Rinkos Schwärmerei für Shu und kleine Eifersüchteleien in einem Wimpernschlag in blankem Hass auf Hinako gipfeln, weil diese dem Angebeteten nahesteht.
Die Handlung hält eine Menge großartig inszenierter WTF-Momente bereit, deutet vieles durch Symbolik an und bringt gerade dann unerwartete Wendungen, wenn wir dachten, alles durchschaut zu haben. Also genau was wir an Silent Hill liebenl
Grotesker Grusel und stimmungsvolle Knobelei
Auch bei der speziellen, melancholisch-bizarren Gruselatmosphäre beherrscht der neue Ableger die Klaviatur der Reihe. Das spüren wir beispielsweise, wenn nach und nach rote Ranken auftauchen, während wir in verlassenen Schulkorridoren Hinweise auf Spindkombinationen entschlüsseln – oder auf einmal maskierte Vogelscheuchen mit Schuluniform im Schummerlicht auftauchen.
Denselben, sehr lebensechten Vogelscheuchen begegnen wir auch bei einem Rätsel auf einem matschigen Feld, das in dicke Nebelsuppe gehüllt ist. Hier müssen wir herausfinden, welche der Figuren zu den abschätzigen Kommentaren passen, die als Hinweis angepinnt sind. Liegen wir falsch, erwachen die Puppen zum Leben und rammen uns ihre Sense in den Bauch.
Accessibility & Sprachen
Silent Hill f bietet vergleichsweise wenige Einstellungsmöglichkeiten, verfügt aber im ersten Spieldurchlauf über 2 Kampf- und 3 separate Rätselschwierigkeitsgrade. Daneben gibt es einen Farbenblindheitsmodus und Untertitel, die in Größe, Farbe und Schriftart angepasst werden können.
Sprachen: Englische und japanische Sprachausgabe, deutsche Untertitel
Dass wir uns bei Silent Hill f ständig mittendrin fühlen, ist vor allem dem herausragenden Sounddesign zu verdanken: Wir hören Wasser plätschern, noch bevor wir einen Kanal im Nebel ausmachen, statisches Rauschen aus dem Dualshock führt uns zu einem Radio, das beunruhigende Botschaften für uns hat. Metallisches Klappern von Puppengelenken oder Schmatzen warnt uns vor nahenden Monstern.
Die Geräuschkulisse verschmilzt mit dem beunruhigend hallenden, folkig angehauchten und immer etwas verstimmten oder dissonanten Soundtrack, den Kensuke Inage und Silent Hill-Veteran Akira Yamaoka beigesteuert haben.
Bei den Kämpfen wäre weniger besser gewesen – in zweierlei Hinsicht
Kommen wir zum Stahlrohr- und Küchenmesser-schwingenden Elefanten im Raum: das im Serienvergleich komplexere Kampfsystem und die ausgedehnten Actionpassagen.
Die wichtigsten Eckpunkte des Kampfsystems
- Upgrades: An Checkpoint-Schreinen können wir mit gefundenen Opfergaben und Holztäfelchen Werte wie Gesundheit permanent verbessern. Talismane geben extra Boni wie Heilen bei Gegnertod.
- Wir finden unterschiedliche Waffen wie Vorschlaghammer, Stangenwaffe oder Küchenmesser
- Kampfaktionen: leichte, schwere Angriffe, Ausweichschritt, aufgeladener Angriff, der Fokus (Verstand) verbraucht, den wir mit Items aufladen müssen, Parieren von speziellen Feindangriffen
- Ausdauermanagement: Dodgen, Rennen und Angriffe verbrauchen viel Ausdauer, perfektes Dodgen lädt Ausdauer auf
- Heilen funktioniert über Verbrauchsgüter
- Waffenhaltbarkeit: In der realen Welt verschleißen Waffen und müssen mit Verbrauchs-Items repariert werden, in der Parallelwelt gilt das nicht, wir können Monster aber nur eine zeitlang ausschalten und nicht für immer töten
Das ganz klassische Action-Kampfsystem ist per se kein schlechtes. Nur draufklopfen ist hier nicht, stattdessen müssen wir Monster gut im Blick behalten, gezielt ausweichen, Ausdauer managen, Angriffszeitfenster nutzen und parieren.
Das kann in manchen Situationen, gerade bei den toll inszenierten Bosskämpfen, zur netten Herausforderung werden, funktioniert aber ganz oft im Survival-Horror-Getümmel einfach nicht so gut und fühlt sich nie richtig präzise oder zuverlässig an. Hierbei kommen ganz viele Kleinigkeiten zusammen:
Monster geben uns selbst beim Draufprügeln mit schweren Waffen kaum Trefferfeedback. Begegnungen finden oft in engen Gängen statt, in denen unsere Waffe ständig an Wänden abprallt, statt auf die Monster niederzusausen. Auch die Kamera tut sich in engen Bereichen schwer, sodass die Übersicht trotz Lock-On-Mechanik immer wieder flöten geht.
Und manchmal wollen wir Hinako nur noch anbrüllen, weil sie trotz voller Ausdauer seltsame Mini-Pausen einlegt, statt prompt auf unsere Eingaben zu reagieren.
Diese Unzulänglichkeiten passen zwar irgendwo gut dazu, dass Hinako keine Actionheldin ist – soll sie ja auch nicht sein! Aber diesen Aspekt hat das stumpfe Haudraufkampfsystem des Silent Hill 2-Remakes sinnvoller ins Gameplay übersetzt.
Mehr zäh als fordernd
In der ersten Spielhälfte kommen die Schwächen noch nicht so stark zum Tragen, da Action, Rätsel und Story sich angenehm die Waage halten und die Gefechte selbst auf "Schwer" sehr verzeihlich, beziehungsweise Ressourcen in Fülle vorhanden sind. Bis dahin wirkt das Kampfsystem zwar etwas aufgeblasen, hat uns aber auch nicht großartig gestört.
Ab einem bestimmten Punkt ziehen sich die Passagen, bei denen uns auf Schritt und Tritt Gegner vor die Füße geworfen werden, aber viel zu sehr. Umgehen können wir diese dann nur selten, weil wir uns umsehen und interagieren müssen – oder weil sie schlicht und einfach den Weg mit Schlabbermasse blockieren.
Im Handlungsverlauf kommen auch mal neue Möglichkeiten dazu, wie wir uns den Biestern stellen können (darüber wollen wir aber nicht zu viel verraten, da sie eng mit der Story verwoben sind). Diese motivieren zwar dann kurz, krempeln aber auch nicht alles um.
Das Gekloppe wird auch deshalb eintönig, weil wir die paar Gegnervariationen schnell in- und auswendig kennen: die flinken Puppen-Variationen mit ihren abgehackten Bewegungen, Schlabberzunge mit der Leuchtkrone und wenige weitere. Auch die – wir nennen sie mal – "Mutter" ist zwar bei der ersten Begegnung noch ein netter Miniboss, aber bitte: Wir wollen sie nicht noch ein (geschätzt) 12. Mal sehen!
Auf dem "Geschichte"-Kampfschwierigkeitsgrad geht all das schneller, der hat dann aber auch mit Survival Horror absolut gar nichts mehr zu tun, sondern ist genau das, was der Name sagt: ein Story-Modus, bei dem wir wenige bis gar keine Bildschirmtode erlebt haben.
Nach dem Ende ist es noch nicht vorbei
Apropos durchspielen: Die volle Story-Erfahrung bekommt ihr mit nur einem Durchlauf nicht – und das ist ein zweischneidiges Schwert: Das Ende des ersten Spieldurchlaufs kann sich nämlich etwas unbefriedigend anfühlen.
Fakt ist aber auch: Wir sind nach unseren rund 11 bis 12 Stunden langen Erstdurchläufen gleich wieder losgezogen und haben selten ein so motivierendes NG+ erlebt. Einige Dialoge weichen ab, wir bekommen ganz neue Infos und Inhalte, die teilweise einen ganz anderen Kontext herstellen. Dazu gibt es sogar neue Rätsel und einen zusätzlichen Kampfschwierigkeitsgrad.
Im Gegenzug werden Passagen sinnvoll und stimmig eingekürzt. Je nach Schwierigkeitsgrad erreichen wir die Credits dann in guten sechs Stunden.
In seinen starken Momenten ist Silent Hill f für uns eines der besten Horrorspiele der letzten Jahre, in anderen Momenten stellt es sich mit zu viel zähem Actiongeknüppel, das so semi-gut funktioniert, selbst ein Bein. Mit einer besseren Balance und motivierendem Survivalaspekt hätte das Spiel Zeug zum Genre-Highlight gehabt.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.